Einst ein wichtiger Verkehrsweg, verband die Waisenbrücke die Bezirke Kreuzberg und Neukölln. Dann fiel sie dem Krieg zum Opfer. Bürger, Planer und der Direktor der Stiftung Stadtmuseum Berlin setzen sich nun dafür ein, dass die traditionsreiche Spreebrücke in Mitte wieder aufgebaut wird.

Von Bombenangriffen eigentlich verschont
Anders als viele Berliner Bauwerke überstand die Waisenbrücke die Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs unbeschädigt. Doch wie fast alle Spreebrücken fiel sie 1945 den deutschen Sprengkommandos zum Opfer, die überall in Berlin Verkehrswege zerstörten, um den Vormarsch der Roten Armee aufzuhalten. Während die erst 1927 bis 1934 als moderne Stahlkonstruktion neu erbaute Jannowitzbrücke vollständig versank, wurde „nur“ der südliche Brückenbogen der Waisenbrücke gesprengt, die übrigen blieben erhalten. Kurz nach der deutschen Kapitulation errichteten die Sowjets anstelle des zerstörten Bogens eine Notbrücke. Doch die Tage der Waisenbrücke waren dennoch gezählt, so entschied sich die Ost-Berlin Stadtverwaltung  „die beschädigte und veraltete Waisenbrücke abzureißen.“ Dabei ginge es nicht um den Straßen-, sondern um den Wasserverkehr. „Für die Binnenschiffahrt wurde die Waisenbrücke eine ernste Gefahr. Die Brückenbogen sind zu tief, so daß große Schleppzüge selten ohne Havarie diese Stelle passieren“, heißt es in der Berliner Zeitung vom 20. Februar 1960.  Ab 1960 begannen die Abrissarbeiten, bis Juni 1961 waren die Brückenfundamente beseitigt. Mit dem geschichtsreichen Bauwerk in Sichtweite von Fischerinsel und Mühlendamm verschwand ein Flussübergang, der die Ufer der Spree jahrhundertelang verbunden hatte.

1888_waisenbruecke_berlin

Die Waisenbrücke im Jahr 1888.

Heute kaum noch zu erkennen
Am ehemaligen Standort der Waisenbrücke lässt sich heute nur noch bei genauem Hinsehen erahnen, dass die Stadtteile diesseits und jenseits der Spree an dieser Stelle einmal eng verbunden waren: Gegenüber dem Märkischen Museum ragt ein mit Sandstein verkleideter und von Geländern umsäumter Brückenstumpf in die Spree – eines der beiden mächtigen Widerlager, auf die sich die Waisenbrücke an den Ufern stützte. Von Bäumen bewachsen und mit Bänken möbliert, lässt der abseits gelegene Aussichtspunkt kaum erkennen, dass sich darunter die Reste einer früher vielgenutzten Brücke verbergen.

von Angela Monika Arnold, Berlin (Eigenes Werk) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) oder CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Der ehemalige Standort der Waisenbrücke heute. Foto: Angela Monika Arnold, Berlin via Wikimedia Commons

Quo Vadis?
An der Notwendigkeit dieses Bauwerks zur Belebung der benachbarten Viertel hat sich bis heute nichts geändert. Es geht darum, die zurzeit durch zahlreiche Neubauvorhaben wiederbelebten Kieze dies- und jenseits der Spree miteinander zu verbinden. Zudem wären das Klosterviertel, das Nikolaiviertel und das Humboldt-Forum mit der Brücke besser an den Spreeweg Berliner Urstromtal angeschlossen, der aufgrund des bebauten südlichen Spreeufers hier den Fluss überqueren muss. Bürger, Planer und der Direktor der Stiftung Stadtmuseum Berlin setzen sich nun dafür ein, dass die traditionsreiche Spreebrücke in Mitte wieder aufgebaut wird. Dafür traf man sich diese Woche auf dem Kahn „Renate-Angelika“, der im Historischen Hafen ankert. Um ihr Herzensprojekt voranzubringen, verabschiedeten die Brücken-Befürworter ein Manifest an den Senat. Die Querung müsse als „leichte, filigrane Konstruktion“ wieder entstehen – als „Attraktion“, zur Verkürzung von Wegen und auch, damit das Märkische Museum besser erreichbar ist. Die neue Brücke werde dazu beitragen, dass es auf dem Südufer wieder lebhaft wird. Sie erleichtere es, vom Humboldt-Forum zum Märkischen Museum zu gelangen. Und sie könnte Teil des geplanten archäologischen Pfades sowie von Fuß- und Radwegverbindungen werden.

 

Der Senat gibt sich zurückhaltend und hat lediglich mitgeteilt, dass er die Machbarkeit eines Wiederaufbaus untersucht.