Weiterhin herrscht Uneinigkeit um Nord Stream 2. In einem fünftägigen Anhörungsmarathon wurden Folgen und Genehmigungsfähigkeit der Pipeline erörtert und bewertet – die vielen Zweifel am Projekt konnten nicht ausgeräumt werden.

Umweltschützer kritisieren, dass der Bau von Nord Stream 2 massive negative Folgen für die sensible Meeresumwelt hat. Denn für die im Seeboden verlegte Pipeline soll der Meeresboden umgegraben werden, was Lebensräume vieler Meeresbewohner zerstören könnte. Mit Folgen beispielsweise für den Hering, der im Greifswalder Bodden laicht und rastende Wasservögel, denen die Nahrung fehlt. Die Pipeline quert auch den Lebensraum des gefährdeten Ostseeschweinswals. Von der betroffenen Population gibt es nur noch etwa 450 Tiere. Jegliche Beeinträchtigung muss aus Umweltsicht vermieden werden.

Die Ostsee-Pipeline beginnt im russischen Wyborg und erreicht Deutschland in Lubmin bei Greifswald.

Die Ostsee-Pipeline Nord Stream beginnt im russischen Wyborg und erreicht Deutschland in Lubmin bei Greifswald. Nord Stream 2 soll weitestgehend parallel dazu verlaufen.

Laut Umweltverbänden sei das in der Pipeline transportierte Methan zudem Gift für die Ostsee und eine Gefahr für unser Klima. Mecklenburg-Vorpommern hat in seinem Landesraumentwicklungsprogramm eine Gasförderung in der Ostsee gezielt ausgeschlossen. Begründung: Verunreinigungen der sensiblen Ostsee sollen ausgeschlossen werden. Leckagen sind auch bei einer Pipeline immer möglich. Zudem ist Methan 25-Mal klimaschädlicher als CO2. Bei Förderung, Transport und Lagerung entweicht das Gas regelmäßig unkontrolliert. Des Weiteren wurde deutlich, dass erhebliche Sicherheitsrisiken der Pipeline im Zusammenhang mit einen Bundeswehr-Schießgebiet nicht gutachtlich aufgeklärt werden sollen. Nord Stream lehnte es ab, Pipelinestücke von 3 Metern Länge für eine Risikostudie zur Verfügung zu stellen. Zu Umweltfragen bleiben nach der Anhörung vor allem Fragezeichen: Der Ausgleich von Umwelteingriffen lässt sich nicht beurteilen, weil die vorgelegten Unterlagen  dazu allenfalls als grobe Skizze zu werten sind. Diese Minimalinformationen zur Kompensation  wurden sowohl von Umweltschützern als auch  von weitere Fachbehörden, Kommunen und Institutionen  kritisiert. Auch die Einwendungen von WWF und weiteren Umweltverbänden wegen einer falschen Berechnungsmethode für die Naturschutzeingriffe konnten nicht aufgeklärt werden.

 „Es entsteht der Eindruck, dass Landes-und Bundesregierung den Druck der Pipelinebetreiber auf eine schnelle Genehmigung an die Genehmigungsbehörden weitergeben wollen“, kritisiert Jochen Lamp, Leiter des WWF-Ostseebüros, der die Erörterung im Verhandlungssaal verfolgt.  „Das Bergamt Stralsund als zuständige Fachbehörde muss seine Entscheidung  aber unabhängig und frei von politischen Wünschen treffen können, nachdem alle Einwände hinreichend abgewogen wurden“.

Die Landesregierung in Stralsund bereitet dem Projekt jedoch bereits den Weg. Trotz der erheblichen Planungsunsicherheiten  will die Landesregierung Schutzgebiete  im Bereich des Greifswalder Boddens/Strelasund bereits vorsorglich ausweiten, damit künftige Umwelteingriffe die Schwellenwerte des Naturschutzes nicht überschreiten werden. „Statt Eingriffe und damit Umweltfolgen zu minimieren, soll einfach die Fläche vergrößert werden, um damit rechnerisch eine Verhältnismäßigkeit herzustellen“, kritisiert Jochen Lamp. Die klare Aussage der Bauern und Landbesitzer „keinen Quadratmeter Land“ für die Nord Stream Pipeline herzugeben,  vergrößert die Zweifel des WWF, dass die Kompensationen auf Rügen überhaupt durchsetzbar sind.

Auch der NABU äußerte sich mit scharfer Kritik. „Nord Stream 2 bewertet die Umweltauswirkungen auf Basis von Umweltdaten, die für die frühere Pipeline Nord Stream 1 erhoben wurden. Die Bedeutung der Daten für die Bewertung von Nord Stream 2 wurden durch das Bergamt Stralsund und das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie auf der Erörterung untermauert. Das Problem: Nicht einmal die Genehmigungsbehörde, das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, hat diese Daten“, so NABU-Landesgeschäftsführerin Rica Münchberger. Das gehe aus einem Bescheid der Behörde hervor, der dem NABU vorliegt. Zudem stehen die Daten auch dem NABU nicht zu Verfügung. Der NABU konnte sich deshalb keine eigene Meinung zu den Daten bilden und wird damit massiv in seiner Beteiligungsmöglichkeit eingeschränkt. Eine Genehmigung ist damit nicht rechtmäßig. „Wir fordern das Bundesamt für Seeschifffahrt und das Bergamt Stralsund als Genehmigungsbehörden auf, unsere Argumente sorgfältig in die Abwägung einzustellen und einen rechtskonformen Bescheid zu erlassen“, so Münchberger weiter. „