Drohen Lücken und Verschlüsse im Wassertourismusnetz Mecklenburg-Vorpommerns und anderer Länder? Gerät ein wichtiger Wirtschaftsfaktor der ländlichen Räume in Gefahr? Tourismusorganisationen, Industrie- und Handelskammern sowie Wassersportverbände aus Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein machen mit einem Offenen Brief auf die Risiken für den entwickelten Wassertourismus durch das Wassertourismuskonzept des Bundes  aufmerksam.

Im Kern befürchten die Verfasser, dass die derzeitigen Entwicklungen und Bestrebungen auf Bundesebene, verschiedene Gewässer als Bundeswasserstraßen zu entwidmen und als Freizeitwasserstraßen oder Naturgewässer zu klassifizieren, negative Folgen für den mit Milliardenaufwand von privater und öffentlicher Hand entwickelten, naturnahen Tourismus mit sich bringt. „Wir verfolgen die Entwicklungen mit Sorge, weil Wege eingeschlagen werden, ohne dass Betroffene hinreichend einbezogen werden und weil Ziele vorgegeben werden, ohne dass tourismusverträgliche Lösungen in Sicht sind. Wasserstraßen, Schleusen, Wasserwanderrastplätze, Marinas und Sportboothäfen bilden ein attraktives Netz für Touristen, Wassersportler und Einwohner und verbessern die Lebensqualität vor Ort – dies muss auch in Zukunft so bleiben“, erklärte der neue Vorsitzende des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern, Wolfgang Waldmüller. Bei einer neuen Kategorisierung der Wasserstraßen entfielen zahlreiche Gewässer in die Rubrik „Sonstige Wasserstraßen“, was sich beispielsweise negativ auf Erhaltungsmaßnahmen oder Investitionen auswirken würde.

Viele Schleusenanlagen sind sanierungsbedürftig. Foto: von Botaurus [Public domain], via Wikimedia Commons

Viele Schleusenanlagen sind sanierungsbedürftig. Foto: von Botaurus [Public domain], via Wikimedia Commons

Mit dem in diesem Jahr veröffentlichten Wassertourismuskonzept will das Verkehrsministerium das Wasserstraßennetz neu einteilen in Hauptwasserwege für den Gütertransport, Freizeitwasserwege sowie naturnahe Gewässer, die nicht oder nur für „muskelgetriebenen“ Wassersport genutzt werden können. Dafür müssten unter anderem die vom Bundeswasserstraßengesetz erfassten Freizeitwasserstraßen „zunächst entwidmet“ werden. Wenig befahrene Gewässer könnten später aus der Zuständigkeit des Bundes gelöst und in die Verantwortung anderer Träger überführt werden.

Die Unterzeichner des Offenen Briefes befürchten, dass sich der Bund immer mehr aus der Verantwortung für den Erhalt und die Unterhaltung der Bundeswasserstraßen ziehen will. Von der Bundesregierung würden jedoch Lösungen erwartet, die die Lebensgrundlagen auf und an den Wasserstraßen nicht gefährden und Tourismus und Naturschutz nicht zu Gegenpolen aufbauen. Bereits jetzt führten verringerte Investitionen zu unklaren Perspektiven für die „Sonstigen Wasserstraßen“ und in der Verantwortung des Bundes liegende Bauwerke wie zum Beispiel Schleusen. Eine Renaturierung einer großen Anzahl an Gewässern könne zu gravierenden Einschränkungen der wassertouristischen Nutzung führen, wodurch das dichte, gut ausgebaute Netz auseinanderzufallen drohe.

In den acht im Brief formulierten Positionen fordern die Unterzeichner den Erhalt sowie die Sicherung der Netzfunktion und der durchgängigen Befahrbarkeit der Bundeswasserstraßen. Des Weiteren soll der Bund auf die vorgesehene Entwidmung von Bundeswasserstraßen verzichten. Die Einstufung verschiedener Gewässer als „naturnahe Wasserstraßen“ und der Handlungsrahmen für die Renaturierung seien grundsätzlich mit den Ländern und den betroffenen Akteuren abzustimmen. Wassertourismus sei in seiner Bedeutung für die wirtschaftliche und die regionale Entwicklung gerade in ländlichen Räumen stärker zu berücksichtigen, welche von der Infrastruktur entlang der befahrbaren Gewässer profitieren. Alle erarbeiteten Konzepte sollten zudem auf validen und soliden Daten der Wirtschaftlichkeit beruhen, die derzeit nicht gegeben sind. Schnell nötig sei schließlich ein Investitionsprogramm für Schleusen, von denen allein in Norddeutschland 47 von 50 als sanierungsbedürftig gelten.

Auch der Landtag in Mecklenburg-Vorpommern hat sich bereits mit der Thematik befasst. In Ziffer 44 der Koalitionsvereinbarung der neuen Landesregierung heißt es zudem: “Die Koalitionspartner erwarten, dass sich der Bund zu seiner Verantwortung für die Bundeswasserstraßen und den darauf stattfindenden Wassertourismus und Wassersport uneingeschränkt bekennt.”