Besorgniserregend: Ein Fünftel der Strecken auf vier wichtigen Radfernwegen in Mecklenburg-Vorpommern ist in einem schlechten, für Nutzer nicht akzeptablen Zustand. Dies ist ein zentrales Ergebnis einer detaillierten Prüfung des Ostseeküsten-Radweges, des Radweges Berlin-Kopenhagen, des Mecklenburger Seen-Radweges sowie des Oder-Neiße-Radweges, die vom Landesverband des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) und vom Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern vorgenommen wurde.

Die vier Fernwege wurden von Experten in Gänze befahren und ihr Zustand Kilometer für Kilometer erfasst. Das Augenmerk lag auf dem Zustand der Wege, der Beschilderung sowie der touristischen Infrastruktur. Fazit: Von 1.569 Kilometern, auf denen die genannten Wege durch MV verlaufen, sind 314 Kilometer in einem vernachlässigten, die Sicherheit der Radfahrer gefährdenden Zustand. Teils sind die Oberflächen der Wege stark verwittert, zugewachsen oder beschädigt, teils ist die Beschilderung lücken- oder mangelhaft, teils sind Rastplätze in einem ungenügenden Zustand. „Das Ergebnis zeigt zweierlei: die problematische Situation auf einem nennenswerten Teil der Wege sowie die Notwendigkeit einer besseren Koordinierung der Radverkehrspolitik in Mecklenburg-Vorpommern“, sagte Bernd Fischer, Geschäftsführer des Tourismusverbandes. Dabei dürfe auf den Ebenen Land, Kreise, Kommunen und Tourismusorganisationen keine weitere Zeit verloren werden.

Die Radfernwege in Mecklenburg-Vorpommern sind ein Touristenmagnet. Foto: TMB Fotoarchiv/ Paul Hahn

Die Radfernwege in Mecklenburg-Vorpommern sind ein Touristenmagnet. Foto: TMB Fotoarchiv/ Paul Hahn

„Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos“, so Fischer. Er sprach sich für ein Sofortprogramm zur Beseitigung von Mängeln sowie für eine nachhaltige Regelung der Zuständigkeiten für Ausbau und Erhalt von Wegen aus. „Wir können nicht glaubhaft vom Radparadies sprechen und 2018 das Themenjahr Radtourismus ausrufen, wenn die Hausaufgaben nicht gemacht sind.“ Investitionen und ein System klar abgestimmter Verantwortungen auf allen Ebenen seien nicht nur im Hinblick auf die neun Radfernwege nötig, sondern ebenso für die 21 Rundwege und die Vielzahl regionaler, touristisch bedeutsamer Wege im Land. Allein für das grundsätzliche Instandsetzen und Ausbessern der bei der Befahrung auf den Fernwegen aufgefallenen Stellen sind nach Schätzungen von ADFC und Tourismusverband Mittel in zweistelliger Millionenhöhe nötig. Neben dem Substanzerhalt müsse jedoch auch über Investitionen in die Zukunft der Wege mit neuen technischen Anforderungen nachgedacht werden.

Zuletzt hatte der Nordosten gegenüber anderen Regionen in der Gunst der Touristen deutlich eingebüßt und kam bei der Radreiseanalyse 2017 des ADFC nur noch auf den siebten Rang der beliebtesten Radreiseregionen. Noch vor wenigen Jahren hatte Mecklenburg-Vorpommern hier sieben Mal hintereinander den Spitzenplatz inne. Auch die aktuelle, repräsentative Gästebefragung Qualitätsmonitor Deutschlandtourismus weist auf eine sich verschlechternde Situation hin: Zeigten sich 2009 noch 91 Prozent der Befragten zufrieden oder sehr zufrieden mit dem Angebot an Radwegen, sind dies inzwischen nur noch 81 Prozent.

Höchster Handlungsbedarf auf dem Ostseeküsten-Radweg
Die Betrachtung der vier geprüften Wege im Einzelnen zeigt den höchsten Handlungsbedarf auf dem Ostseeküsten-Radweg, der laut AFDC-Radreiseanalyse immerhin der fünftbeliebteste und am stärksten nachgefragte Radweg Deutschlands ist. Hier werden 185 von 670 Kilometer als unzureichend eingestuft; das sind 28 Prozent. Probleme bestehen insbesondere auf so genannten wassergebundenen Decken, auf denen aufgrund von ausgefahrenen und ausgewaschenen Oberflächen in einigen Abschnitten mittlerweile auf grobem Schotter gefahren werden muss bzw. kaum noch gefahren werden kann. Auch das Dauerproblem eines von jeher nicht adäquat ausgebauten Abschnittes zwischen Stralsund und Greifswald besteht fortwährend. Unter anderem auf Rügen finden sich zudem viele verkehrsunsichere Stellen für Radfahrer.

Beim Oder-Neiße-Radweg wurden vom Prüfer insbesondere die veraltete, nicht einheitliche Wegweisung und die nicht instandgehaltenen Wegabschnitte moniert. Insgesamt 19 Prozent des Radweges weisen einen schlechten oder sogar sehr schlechten Zustand auf.

Auf dem Mecklenburger Seen-Radweg entspricht die Wegweisung nicht den Anforderungen, außerdem erschweren an einigen Stellen Betonplattenwege das Radfahren. Für 15 Prozent des Weges wird eine mangelhafte Qualität eingeschätzt.

Etwas besser fällt die Bewertung des von vielen internationalen Gästen befahrenen Radfernweges Berlin-Kopenhagen aus. Mit 24 Kilometern sind knapp zehn Prozent der 255 Kilometer Wegstrecke in MV zwingend sanierungsbedürftig. Die Oberfläche wird an den meisten Stellen als gut eingeschätzt, nur ein paar Teilstücke erfordern dringenden Handlungsbedarf. Mängel gibt es auch hier bei der Wegweisung, die zum Teil veraltet oder verwittert ist.