Es ist vor allem die spätsommerliche Stille, die mich für diese Perle im Havelmeer einnimmt. Die Fähre LUISE, die sich sanft auf den Anleger schiebt, ist das letzte Motorengeräusch vor dem Betreten der Pfaueninsel. Schon lange habe ich auf diesen Moment gewartet, immer ist irgendetwas dazwischen gekommen. Nur wenige Menschen sind mit mir an Bord auf der nur zwei Minuten dauernden Überfahrt auf die Insel. Wo will ich direkt hin? Natürlich möchte ich zuerst das Liebesnest sehen. Da steht der zweitürmige weiße Bau inmitten einer schönen Parkanlage nahe des südwestlichen Ufers. Von Ferne wirkt das Gebäude größer, nun scheint es intimer, kleiner, feiner, wenn auch die Farbe schon abbröckelt. Eine wenig wie Disneyland aus dem Ende des 18. Jahrhunderts scheint es mir.

Als Paparazzi oder als Boulevardjournalist hätte ich meine reine Freude an dieser Geschichte. Ich habe sie aber auch so. Friedrich Wilhelm II., ab 1786 König von Preußen, lernt als 22-jähriger Kronprinz, Wilhelmine Enke, die 13-jährige Tochter eines Potsdamer Musikers, kennen und beginnt eine lebenslange Affäre mit ihr. Der Kronprinz wird preußischer König, heiratet „standesgemäß“ und lässt Wilhelmine der Form halber einen seiner Kammerdiener heiraten. Wilhelmine wird vom Liebhaber und König in den Adelsstand erhoben und baut nun mit ihm als Gräfin Lichtenau das kleine Schloss auf der Pfaueninsel – als Liebesnest. Nach dem Tod Friedrich Wilhelm II. lässt sie sein Nachfolger Friedrich Wilhelm III. verhaften, ihr inzwischen beträchtliches Vermögen beschlagnahmen und anklagen wegen Bereicherung, Betrug und Landesverrat. Eine stattliche Pension erhält sie aber trotzdem und stirbt 1820 in Berlin.

Doch ich verlasse diese Affäre gerne und lasse die Natur der Insel auf mich wirken. Große, alte und mächtige Eichen und Buchen säumen die Wege. Schaffen Sichtachsen zu allen Himmelsrichtungen auf die Havel. Dichte Röhrichte säumen den langen Uferweg im Nordwesten der Insel, große Wiesen und naturbelassene Gebüsche und alte längst gestorbene Baumstämme.

Ich sollte aufhören über dieses Kleinod weiterhin bewundernd zu schreiben. Es wäre zu schade, wenn auch hier noch unersättliche Busladungen von Touristen ausgeladen würden. Zwar gibt es viel zu sehen. Pfauen, eine Meierei, die eher wirkt wie eine Kirche, Rosengärten. Oder den Luisentempel. Eine kleine Reisegruppe von Tourismusstudenten (oh je, sie kommen schon), steht davor und eine Reiseführerin (?) sagt: „Friedrich Wilhelm III. saß auf der Bank und weinte um seine Luise.“