Unter dem Blätterdach der majestätischen Sommerlinde vor dem Äbtissinnenhaus des Klosters Drübeck treffen sich Hochzeitsgesellschaften zu fröhlichen Sektempfängen. Sieben Linden, die vor 300 Jahren eng gepflanzt wurden, sind zu einer stattlichen Einheit zusammengewachsen. Bei ihr zu Gast sind auch die Ruhe und Inspiration Suchenden, die Kraft Schöpfenden und die Schweigenden, die sich bewusst ein paar Tage dem Stress der Informationsgesellschaft entziehen wollen.  Im „Haus der Stille“ im Kloster Drübeck im Harzkreis können Gäste ihre individuelle Reise ins Ich antreten. Im nahegelegenen Wasserleben ist „Minneken Hus“ eine Oase der Ruhe und Einkehr.

„Schweigen ermöglicht es, die Wahrnehmung zu vertiefen – nach innen und außen“, wissen Irene Sonnabend und Pfarrerin Dr. Brigitte Seifert vom „Haus der Stille“, das von der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und von der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig getragen wird. Wer sich für Einkehrtage entscheidet, bringt Smartphone und Tablet zum Schweigen, nimmt eine Auszeit von Radio und TV, beschränkt seine Konversation auf Gesten. Wer schweigt, genießt die Vogelkonzerte in der Sommerlinde, nimmt Rosen- und Kräuterdüfte stärker in sich auf, schmeckt intensiver, was die Küche der Tagungsstätte aus saisonalen Zutaten zaubert. Und er nimmt die Menschen um sich herum anders wahr, wenn es keine Worte mehr gibt, die das Spüren überdecken. „Schweigen ist ein wichtiges Element vieler spiritueller Traditionen“, sagt die Pfarrerin, „zwischen Menschen, die ein paar Tage miteinander geschwiegen haben, entsteht oft eine tiefe Gemeinschaft.“

von Benutzer:Hejkal (Selbst fotografiert) [CC BY-SA 3.0 de (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)], via Wikimedia Commons

Das Haus der Stille des Klosters Drübeck. Foto: Hejkal via Wikimedia Commons

Die Glocken, die die Tageszeitengebete in der Klosterkirche einläuten, strukturieren den Tag. Sie laden ein innezuhalten. Wer es sich im Alltag nicht mehr erlaubt hat, Pause zu machen, lernt es neu. Wer sich keine Muße gegönnt hat, genießt es, nichts zu müssen, nur zu sein. Der Geist kommt zur Ruhe, Gedanken werden klarer. In der Schweigezeit zwischen Willkommens- und Abschlussrunde werden Meditationen und Übungen zur Körper- und Atemwahrnehmung angeboten. Kommen im Schweigen verborgene Gefühle an die Oberfläche, zum Beispiel Trauer um einen geliebten Menschen, dann findet der Trauernde Begleitung, damit es heilen kann.

Nicht weit entfernt von Drübeck liegt Wasserleben. Dort haben Tina Siebeck und ihre Familie Oma Minnas Haus in „Minneken Hus“ verwandelt. Haus und Hof sind Rückzugsort sowie Pilgerherberge am Pilgerweg Via Romea, bieten Raum für Meditation und innere Einkehr, für Werkstatt und Kräuterlädchen. „Schon die Schwellen, die niedrigen Türrahmen und Decken der Schlafräume nehmen Geschwindigkeit raus“, erklärt Tina Siebeck ein einfaches Rezept für Entschleunigung: Wer sich bücken muss, rennt nicht. Kerzenschein und Kräuterdüfte, Häkeldeckchen und viele kleine, mit Liebe arrangierte Details verbreiten eine wohltuende Atmosphäre.

In den Schlafkammern finden sich Nachttopf und der eiserne Vorgänger der Wärmflasche. Für Morgen- und Abendtoilette stehen Krug und Waschschüssel bereit, aber auch Dusche und WC sind vorhanden. Nicht vorhanden sind Kaffeemaschine, Ceranfeld oder Wasserkocher. Wer Warmes zubereiten will, macht im alten Küchenofen Feuer. Ist diese Herausforderung gemeistert, lieben es die Gäste, auf der Holzbank vor dem Küchenofen zu sitzen, mit den Füßen auf der Ofenreling und einer großen Tasse Tee in den Händen. Wer reden will, kann reden, wer schweigen will, kann schweigen, „wer nicht allein schweigen will, dem leiste ich Gesellschaft“, sagt Tina Siebeck.

Doch nicht nur zum Entschleunigen oder Schweigen kommen die Gäste ins „Minneken Hus“, sondern auch zur Begegnung mit Heilkräutern auf dem „weißen Hexenweg“, zu Meditationen oder in die Trommel- und Filz-Werkstatt. Im „Haus der Stille“ Kloster Drübeck werden neben Einkehrtagen auch Besinnungstage mit thematischen Schwerpunkten (und etwas weniger Schweigen) angeboten, während die Tagungsstätte Feste und Familienfeiern, Lesungen und Konzerte ausrichtet. Ein Höhepunkt, so Gästeführerin Renate Eitz, ist die romantische Nacht am ersten Sonnabend im August mit Lesungen, Tanz und Konzerten, Lichterglanz, Bewirtung und Sektempfang.