Eine Fahrt mit den Bussen der BVG ist nicht immer eine erbauliche Erfahrung. Berufsverkehr, Baustellen, Stau – von übelgelaunten Mitfahrern ganz zu schweigen. Ganz anders auf der Strecke der Linie 218. Hier fährt der Traditionsbus. Quer durch den Grunewald und immer der Havel entlang. Ein Reisebericht.

Die Reise mit dem Traditionsbus der Linie 218 beginnt mit einer Enttäuschung. Im strömenden Regen fährt am Charlottenburger Theodor-Heuss-Platz ein moderner Doppeldecker neuerer Bauart vor. Die Nostalgie-Fahrzeuge sind lediglich zu bestimmten Zeiten im Einsatz, erklärt der Busfahrer freundlich. Ein Blick auf den Fahrplan verrät: Einmal pro Stunde kann die etwa 45- minütige Reise bis zur Endhaltestelle an der Pfaueninsel mit dem Oldtimer bestritten werden. Kein Wunder, denn der tägliche Betriebseinsatz summiert sich im Jahr auf knapp 90.000 Kilometer – für historische Fahrzeuge eine stolze Leistung, die nur durch regelmäßige Wartung und Reparaturen geleistet werden kann. Jeden Tag bei jedem Wetter zu fahren ist für die BVG Verantwortung und Ansporn zugleich. Bei schönem Wetter sind die Busse manchmal bis zu Belastungsgrenze besetzt, im Winter freut sich der Fahrer über jeden zusteigenden Fahrgast. Heute ist eher Letzteres der Fall. Nur ein paar Unentwegte trotzen dem wechselhaften Aprilwetter und begeben sich auf die Fahrt ins endlose Grün des Berliner Grunewalds.

Nachdem der Bus die viel befahrene Heerstraße hinter sich gelassen hat, wird es gemütlich. Ab jetzt heißt es Tempo 30, der Bus teilt sich die Straße nun größtenteils mit Radfahrern. Eine Gruppe amerikanischer Touristen steigt zu: „Wow. Who knew that Berlin is so green?“ Der kollektive Enthusiasmus der Reisegruppe scheint ins Unermessliche zu steigen, als am Ende der Straße „Am Postfenn“  das Havelufer in Sicht kommt und sich gleichzeitig die Sonne an grauen Regenwolken vorbeischiebt. Ab jetzt wird der Fluss zum ständigen Begleiter dieser einmaligen Ausflugslinie. Wer mit der Linie 218 unterwegs ist, der kann schon mal vergessen, dass das Meer einige hundert Kilometer entfernt ist.

Wer heute mit dem Bus 218 entlang der Havelchaussee durch den Grunewald fährt, kann immer noch Erinnerungen an das alte Berlin mit nach Hause nehmen. Ein Beispiel: die Bushaltestelle Große Steinlanke. Von hier aus wurde das Holz des Grunewalds verschifft. In den 1880er Jahren verkaufte der preußische Staat nach persönlicher Intervention Bismarcks 234 Hektar des Forstes Grunewald an die Kurfürstendamm-Gesellschaft, ein Bankenkonsortium, das 1882 gegründet wurde und sich zum Ziel gesetzt hatte, nach dem Muster der überaus erfolgreichen Villenkolonien Alsen und Lichterfelde ein noch aufwändiger angelegtes Wohnviertel zu errichten. Das heutige Wohnviertel um den S-Bahnhof Grunewald.

Stetig schlängelt sich die 218 durch den Grunewald. Dabei passiert der Bus eine weitere Berliner Ikone: den Grunewaldturm. Der 1899 eröffnete Turm war zur Erinnerung an den 100. Geburtstag von Kaiser Wilhelm I. errichtet worden und hieß bis 1948 Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Turm. Von der Aussichtsplattform in 36 Metern Höhe, die man nach 204 Stufen erklommen hat, eröffnet sich ein weiter Blick über die Havel und den Grunewald. Grund genug für die amerikanische Reisegruppe auszusteigen. Nun ist der Bus wieder leer und die Sonne hat ihren kurzen Kampf gegen die Wolken ein weiteres Mal verloren.

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1899 zu Ehren Kaiser Friedrich Wilhelms I. eröffnet: der Grunewaldturm. Foto: Times [CC-BY-SA-3.0] via Wikimedia Commons

Wer zum berühmten Strandbad Wannsee möchte, steigt an der Haltestelle Wannseebadweg aus, hat dann allerdings noch einen Fußweg von ca. 1 km vor sich. Biergärten wie das altehrwürdige Loretta am Wannsee fristen heute ein eher einsames Dasein im Regen, sind an sonnenreicheren Tagen jedoch immer einen Besuch wert.  Am Bahnhof Wannsee steigen dann doch einige neue Fahrgäste zu, um zur Endstation Pfaueninsel zu fahren. So verschwindet der Bus ein weiteres Mal auf holprigen Waldwegen, passiert großzügige Einfamilienhäuser und gelangt schließlich zum Anleger an der Pfaueninsel. Von hier setzt regelmäßig eine Fähre zur Insel, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, über.

So macht sich fast ein bisschen Wehmut breit, als per Lautsprecher die Endstation verkündet wird. Doch beim Ausstieg tröstet der Gedanke: Wer den Heimweg durch den Wald nicht zu Fuß antreten will, der weiß: In dreißig Minuten kommt der nächste 218er. Dann vielleicht sogar ein echter Oldtimer.