Bereits am 18. Juli berichtete Felix Hackenbruch (Der Tagesspiegel) unter dem Titel „Hausboot-Streit in Brandenburg Günni, geh nicht unter!“ über die wassersportunfreundliche Posse der Neuruppiger Bauaufsicht. Der Streit geht weiter.

Ein Hausboot beschäftigt das Land

Quelle: Der Tagesspiegel,  10.August 2018, Autor: Felix Hackenbruch

In Neuruppin wertet die Bauaufsicht ein Hausboot als Gebäude und fordert den Abriss. Noch läuft der Rechtsstreit. Die CDU bringt der Fall auf die Palme.

Potsdam – Die Posse um das 15 Meter lange Hausboot „Günni“ erreicht die Landespolitik. Das Boot, das die Untere Bauaufsichtsbehörde in Neuruppin als „bauliche Anlage“ eingestuft und den Abriss gefordert hatte (PNN berichteten), war am Mittwoch Gesprächsthema im Landesministerium für Infrastruktur in Potsdam. An dem Treffen nahmen nach Information der PNN neben Hausbootbesitzer Ralf Günther auch Staatssekretärin Ines Jesse (SPD) sowie der Referatsleiter der Obersten Bauaufsicht Jan-Dirk Förster, der CDU-Abgeordnete Rainer Genilke und der Anwalt und frühere Präsident des Deutschen Segelvereins Rolf Bähr teil. Genilke äußerte sich nach dem zweistündigen Treffen entrüstet. „Bis jetzt habe ich mich zurückgehalten, aber ich habe nicht erkennen können, dass das Ministerium auf der Seite des Bürgers steht“, sagte er den PNN am Telefon.

Hausbootbesitzer Ralf Günther war Anfang Januar von der Unteren Bauaufsichtsbehörde aufgefordert worden, sein Boot, mit dem er regelmäßig Touren unternimmt und das er zum Schwimmtraining nutzt, zu beseitigen. Die Behörde stufte das Boot als „bauliche Anlage“ ein und lastete Günther an, er besitze keine Baugenehmigung. Deshalb sollte Günther außerdem 1000 Euro Strafe zahlen. Günther ging im Eilverfahren vor Gericht, verlor in erster, gewann aber in zweiter Instanz. Vorerst muss er sein Boot nicht entfernen, das Hauptverfahren steht allerdings noch aus.

 Boote und Häuser: Einstufung abhängig vom Einzelfall

Nachdem die Presse sogar im Ausland über den skurrilen Fall berichtet hatte, fordert CDU-Politiker Genilke nun Maßnahmen durch die Landesregierung. „Es muss einen Erlass oder eine Verordnung geben“, sagte er. Ihm täten die Berichte über die Posse in Brandenburg in der Presse „in der Seele weh“. Er selbst hatte sich vor einigen Wochen vor Ort einen Eindruck verschafft und hatte anschließend das Treffen im Ministerium eingefädelt. „Ich dachte, wir können schnell handeln, aber im Ministerium will man lieber weiter reden“, sagte er hörbar verärgert. Er verstehe nicht, warum das Ministerium als Fachaufsicht der Obersten Baubehörde im Land nicht Druck auf die Behörde in Neuruppin ausübe. „Schließlich widerspricht diese Entscheidung allen Bestrebungen des Landes“, sagte Genilke. Er befürchtet, dass die Behörde weitere Hausbootbesitzer sanktionieren könnte. Dies sei ein fatales Signal, denn man stünde als Land doch für Wassertourismus und Wasserwanderungen. Genilke will nun Möglichkeiten prüfen, um auf die Bauordnung einzuwirken.

Ein Sprecher des Ministeriums unterstrich auf PNN-Anfrage die Bedeutung der Brandenburger Seen für die Attraktivität des Landes. „Wohn- oder Hausboote sind Teil des touristischen Angebots, wenn sie entsprechend der rechtlichen Vorgaben ausgestaltet und genutzt werden“, sagte er. Grundsätzlich sei man der Auffassung, dass die Einschätzung, ob ein Hausboot ein Wasserfahrzeug oder eine bauliche Anlage ist, von der tatsächlichen Nutzung im Einzelfall abhänge. Gesetzliche Nachbesserung erwartet er nicht: „Derzeit wird hierfür keine Notwendigkeit gesehen.“

Quelle: Der Tagesspiegel,  10.August 2018, Autor: Felix Hackenbruch