Die Spree windet sich noch ein wenig, sie schlängelt sich langsam von Ost nach West durch die Innenstadt Berlins. Doch hier bei km 0 der Unteren-Havel-Wasserstraße, direkt neben der Schleuse Spandau, gibt sie ihr eigenständiges Flussleben, entsprungen im Lausitzer Bergland, nach 400 Kilometern auf. Hier vereinigt sie sich mit der Havel, die von ihrem Mündungsgebiet in Mecklenburg-Vorpommern kommend uns nun auf unserer Bootsreise bis zur Mündung in die Elbe bei Havelberg begleiten wird. Sie ist jetzt Startpunkt und wird uns am Ende der Reise auch wieder genau an diesen Ort zurücktragen.

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Spandau links und rechts bildet die Kulisse der ersten vier kanalisierten Kilometer. Es gibt sehr viel schönere Strecken, aber es ist ja nur der Anfang eines schönen, langen Törns.

 

 

 

 

 

 

 

Nach vier Kilometern ändert sich dann alles. Vor dem Bug öffnet sich die Havel nun als ein großer, von grünen Wäldern umsäumter See. Vorbei an herrlichen Patriziervillen und den grünen Bäumen des Grunewalds auf den Haveldünen Das werden Sie von nun an in weiten Teilen Ihres Törns immer wieder sehen: Aus dem Fluss wird ein See, dann wieder ein kleiner Kanal, dann wieder ein See, dann wieder ein Fluss – und der Schmaus für die Augen wird selten langweilig und eintönig.

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DER TEUFELSBERG – Überraschend ist es schon, dass inmitten einer doch nur leicht hügeligen Landschaft plötzlich bei UHW km 5 an Backbord ein für diese Gegend hoher Berg mit weißen Türmen darauf auftaucht. Die Erklärung ist einfach: Ca. ein Drittel aller Trümmer der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Berliner Häuser lagert hier. Zehntausende von LKW-Ladungen wurden hierhin zum Teufelsberg transportiert. 1972 begannen die Berliner mit der Renaturierung und Bäume wurden gepflanzt. Schnell entwickelte sich ein großartiges grünes Sport- und Freizeitgebiet in dem von einer Mauer umgebenen Westen von Berlin. 1987 wurde zur 750-Jahr-Feier Berlins am Teufelsberghang gar ein Weltcup im Slalom veranstaltet. Auch heute noch gibt es eine Skiabfahrt, auf der sich bei viel Schnee die Berliner Wintersportler tummeln.

01 TeufelsbergkDSC_4361Aber auch das Militär entdeckte den Berg. 1957 besetzte die US-Army den Berggipfel. Als höchstgelegene Erhebung in Westberlin eignete er sich als Standort für eine Abhöranlage. Auf dem von den Amerikanern genannten „T-Berg“ arbeiteten bis zu 1.500 Soldaten täglich rund um die Uhr als Teil des internationalen US-Spionagenetzes Echelon. Mit über fünf bis zu 69 Meter hohen Antennenkuppeln konnte der Flug- und Funkverkehr bis etwa 600 km weit in den Einflussbereich des Warschauer Paktes überwacht werden. Nach Ende des Kalten Krieges wurde das Abhören und somit die Anlage der Amerikaner und Briten überflüssig. Bis Oktober 1992 waren sie weg. Neue Ideen für die zukünftige Nutzung gib es viele – eine Realisierung ist aber bisher gescheitert.

DIE VILLA LEMM – Bei UHW km 5,5 steht ein eindrucksvolles Beispiel großbürgerlichen Villen- und Landhausstils der Kaiserzeit. Für den Berliner Schuhcremefabrikanten Otto Lemm erbaute der Architekt Max Werner 1907/08 dieses großzügige Anwesen. Es ist 1913 wurde das Anwesen auf 24.000 Quadratmeter um ein Bootshaus, Gewächshäuser, ein Pförtner- sowie Wirtschaftsgebäude erweitert. Nach dem Tod Otto Lemms im Jahr 1929 erwarb der ungarische Arzt und Medizinprofessor Janos Plesch das Anwesen. Das Haus galt bis 1933 als Treffpunkt angesehener Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft. Maler wie Max Liebermann und Oskar Kokoschka, der Regisseur Max Reinhardt und die Schauspielerin Marlene Dietrich, der Dirigent Arturo Toscanini und der Physiker Albert Einstein gehörten zu seinen Freunden und Besuchern in der Villa Lemm. Plesch, jüdischen Glaubens, musste 1933 nach London emigrieren. Die Villa wurde von der Stadt Berlin gekauft.

01 VillaLemmGärtenkNach dem Krieg beschlagnahmten die Besatzungsmächte das Haus. Die Villa blieb bis zur Aufhebung des Besatzungsstatus 1990 ununterbrochen Residenz des britischen Stadtkommandanten und beherbergte bei Berlinbesuchen die britische Königsfamilie. Mit dem Ende des Vier-Mächte-Status 1990 übernahm das Land Berlin die Villa. 1994 prüfte die Bundesregierung in Vorbereitung ihres Umzugs nach Berlin, ob der deutsche Bundeskanzler hier seine Dienstwohnung einrichten könnte. Vor allem Sicherheitsaspekte führten zur Ablehnung des Vorschlags. 1995 kaufte der Osnabrücker Unternehmer Dr. Hartwig Piepenbrock das 24 000 m² große Areal für ca. 11 Mio DM. Piepenbrock ist es zu verdanken, dass die Gebäude und die Gartenanlagen unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten bis 1997 wieder hergerichtet wurden.

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SCHWANENWERDER – Über den meterhohen Schilfpflanzen am Ufer erkennt man Schwanenwerder, eine mit Villen und Einfamilienhäuser bebaute Halbinsel. Schwanenwerder war und ist ein besonderes Refugium. Nazigrößen wie Joseph Goebbels, Militärs wie Ernst Udet lebten dort ebenso wie nach 1945 der amerikanische Oberbefehlshaber und spätere Präsident Dwight D. Eisenhower und der amerikanische Militärgouverneur der amerikanischen Besatzungszone in Deutschland General Lucius D. Clay. Seit 1961 der Verleger Axel Springer. Dort lud er ein zu Hauskonzerten des Cellisten Rostropowitsch und seine Gäste waren Bundespräsidenten, Botschafter und Industrielle. Springers Witwe Friede verkaufte das Anwesen Ende der neunziger Jahre. Heute wird der Wert auf über 50 Millionen Euro geschätzt. Leider ist von dem ursprünglichen Charme der Halbinsel vieles verloren, seit im Jahr 2009 an der Südseite der Insel ein riesiger und architektonisch misslungener Neubau gebaut wurde.

Und nun geht´s nach Backbord in den Wannsee (Achtung, Betonnung beachten, am Rand wird es schnell flach) .

Fortsetzung folgt.

(Fotos: bb-maritim)