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Luxuriöse Expeditionen ins Unbekannte
Einst hatte die „Dr. Ingrid Wengler“ durchaus eine rosige Zukunft vor sich. Als nach der Wiedervereinigung die Gewässer im Osten der Stadt wieder für die touristische Schifffahrt zugänglich wurden, war der Berliner Physiker Günther van de Lücht überzeugt: Das 1959 in Emden vom Stapel gelaufene Frachtschiff, das er bereits 1975 erstanden hatte, würde als luxuriöses Passagierschiff mit Schlafkabinen Touristen aus dem ganzen Land anlocken können. Das Schiff, aufwendig mit Mahagoniholz und Messing umgestaltet, bot hohen Komfort, die nun wieder zugänglichen Wasserstraßen in Mecklenburg und Brandenburg einen besonderen Reiz. Als der Fahrgastbetrieb in Berlin aufgenommen wurde, erfreute sich die „Dr. Ingrid Wengler“ zunächst großer Beliebtheit. Erste Touren führten nach Waren oder zum Schweriner Schloss – Anfang der Neunzigerjahre sind Fahrten in die ehemalige DDR gefragt. So ähnelten die ersten Reisen aus Berlin zu den brandenburgisch-mecklenburgischen Seen zuweilen einer Expedition in unbekanntes Land.

Die „Dr. Ingrid Wengler“ vor dem Schweriner Schloss. Foto: http://www.dr-ingrid-wengler.de/
Rostiger Status Quo
20 Jahre ist es nun her, dass das Schiff im Osthafen vor Anker ging. Sympathisanten würden die „Dr. Ingrid Wengler“ gerne heben und eines Tages wieder fahrtüchtig machen. Peter Klose, Initiator des Vorhabens, will sie dafür erstmal an den nahen Steg ziehen und dort vertäuen. Das Problem: Das Wasser- und Schifffahrtsamt verlangt hierfür die Vollmacht des Eigners van de Lücht. Der äußerte sich gegenüber der Berliner Zeitung eindeutig: „Die kriegt das WSA nicht“. Denn er sieht das Amt verantwortlich für den desolaten Zustand des ehemaligen Fahrgastschiffs. Kaum verwunderlich: Die Behörde sieht das ganz anders und schiebt die alleinige Zuständigkeit auf van de Lücht. Durchaus möglich also, dass der Status Quo noch eine Weile aufrecht erhalten wird. Die „Dr. Ingrid Wengler“ müsste dann weiter vor sich hinrosten.
Doch am Horizont des Osthafens leuchtet ein Hoffnungsschimmer für das vom Pech verfolgte Fahrgastschiff. Der „Historische Hafen Berlin“ will mit seinen 16 historischen Schiffen von seinem jetzigen Standort an der Fischerinsel in den Teil des Osthafens umziehen, indem die „Dr. Ingrid Wengler“ ihr trostloses Dasein fristet. Momentan existieren also zwei Perspektiven: Entweder das Schiff wird für den Museumshafen geborgen. Oder es bleibt als Wrack einfach liegen. Schließlich gehört es auch zur Geschichte der Schifffahrt, dass manche Schiffe untergehen.