Wie von Geisterhand navigiert der Containerriese durch den engen Hamburger Hafen. Doch auf der Brücke stehen weder Kapitän noch Steuermann, auch das Anlegemanöver geht ohne Mannschaft vonstatten. Was sich anhört wie ein neuer Teil der Filmreihe „Fluch der Karibik“, könnte schon bald Realität werden.

Dass Autos uns in absehbarer Zeit autonom durch die Stadt kutschieren, ist mittlerweile keine Neuigkeit mehr. Doch nicht nur selbstfahrende Autos und LKWs sind nicht mehr als Science Fiction abzutun. So arbeitet der britische Motorengigant Rolls Royce bereits an autonomen Containerschiffen. Als treibende Kraft der Advanced Autonomous Waterborne Applications Initiative strebt der Konzern an, die besatzungslosen Schiffe bereit 2020 auf die Weltmeere zu befördern. Nach eigener Aussage stünden die Technologien dazu schon bereit. Denn bereits heute können Ozeanriesen ihren Kurs auf den Meter genau halten, ohne dass Kapitän oder Steuermann aktiv werden müssen.

So könnten die autonomen Ozeanriesen aussehen. Bild: Rolls Royce

So könnten die autonomen Ozeanriesen aussehen. Bild: Rolls Royce

Es gibt gute Gründe für mehr Autonomie in der Schifffahrt: Autonome Schiffe würden effizienter fahren und dabei auch die Umwelt schonen. Da sie kein Deckshaus benötigen, sind sie leichter und liegen besser im Wind, was positive Auswirkungen auf den Verbrauch und damit auf den Ausstoß von umweltschädlichen CO2 und Stickoxid mit sich bringt. Darüber hinaus reduziert sich auch die Gefahr von menschlichem Versagen. Das bestätigt auch Esa Jokioinen, der die Forschungsgruppe bei Rolls Royce leitet gegenüber dem Deutschlandfunk: „An die 900 Menschen sterben jährlich bei Unfällen auf dem Meer. Und 90 Prozent davon sind auf menschliches Versagen zurückzuführen. Die Sicherheit kann durch Automatisierung verbessert werden. Und zwar auch dann, wenn man die Crew nicht komplett abschafft. Assistenzsysteme, verbesserte Sensoren: All das würde schon helfen.“

Denn komplett ohne das Zutun von Menschenhand werden auch autonome Schiffe nicht fahren. Mit Hilfe von Virtual Reality-Brillen könnten Mitarbeiter komplexere Navigationsvorgänge übernehmen, beispielsweise bei An- und Ablegemanövern oder in engen Kanaldurchfahrten. Des Weiteren sollen Drohnen um die Schiffe kreisen, um sowohl die Umgebung als auch das Schiff selbst ständig im Blick zu haben – beispielsweise zur Ermittlung von Unregelmäßigkeiten am Rumpf.

Trotzdem ist bei den Berufsverbänden und traditionellen Seeleuten die Skepsis noch groß. Der Tenor: Auch die komplexesten Automatisierungssysteme können die langjährige Erfahrung eines Seemanns auf hoher See nicht ersetzen. Der Verband Deutscher Reeder weist zudem auf rechtliche Fragen hin. Denn wer haftet bei einem Unfall mit einem unbemannten Frachter? Auf diese Frage gibt es zur Zeit noch keine Antwort.Dass Containerschiffe immer autonomer werden, ist keine neue Entwicklung. Und auch das komplett besatzungslose Schiff wird kommen – dabei handelt es sich wohl nur noch um eine Frage der Zeit. In Finnland testet Rolls Royce bereits ein autonomes Schiffskontrollsystem sowie passende Sensoren. 2020 soll dann das erste Geisterschiff über die Weltmeere schippern.