Der Atem des Meeres. Die Gezeiten

Wie entstehen Gezeiten?

Das Wasser kommt immer näher. Hastig wird versucht, mehr Sand aufzutürmen, um nicht gegen die Brandung zu verlieren. Doch das Meer ist stärker. Der Boden unter den Füßen wird nass, die Schutzmauern brechen nach und nach ein und der einzige Ausweg bleibt die Flucht an den trockenen Strand. Wer kennt das nicht: Man baut sich eine Sandburg an der Wasserkante und schaufelt wild drauf los, in der Hoffnung, gegen das auflaufende Wasser zu siegen. Vorerst fühlt man sich auch wie ein kleiner König in seiner Burg, die der ersten Brandung standhält. Doch mit steigendem Wasser muss sich ein jeder Hobbyherrscher bald schon eingestehen, dass er gegen die Kraft des Meeres und der Gezeiten nicht ankommt.

Wie aber kommt es, dass das Wasser wie auf Nordseeinseln innerhalb von 24 Stunden zweimal oftmals viele Hundert Meter vor- und wieder zurückwandert? Früher dachte man an allerlei Hokuspokus, erkannte religiöse Gründe für Gezeiten oder glaubte mancherorts sogar daran, dass bei Flut Männer das Licht der Welt erblickten und bei Ebbe die Frauen geboren würden. Natürlich alles Humbug und Aberglaube. Die Erklärung für den Gezeitenwechsel – auch Tide genannt – ist eigentlich ganz einfach und nicht nur Physiker zu verstehen.

Tiden1_k_IMG_8914

Verantwortlich für Ebbe und Flut ist vor allem die Anziehungskraft des Mondes. Der Teil der Erde, der dem Mond zugewandt ist, ist der Anziehungskraft besonders stark ausgesetzt, was sich auch auf die riesigen Mengen Wasser bzw. auf die Meere auswirkt. Das Wasser wird förmlich hochgezogen und auf der mondzugewandten Seite entsteht Hochwasser – die Flut. Auf der entgegengesetzten Seite der Erde ist die Entfernung des Mondes am weitesten und somit auch die Anziehungskraft auf das Wasser am geringsten. Der Mond zieht hierbei den Planeten Erde an sich – das Wasser bleibt hinter dieser Bewegung zurück und bildet so auch hier die Flut. Das Hochwasser auf der mondzugewandten und der mondentgegengesetzten Seite bündelt die Wassermassen so, dass in den übrigen Gebieten Ebbe bzw. Niedrigwasser herrscht. Da sich die Erde in 24 Stunden einmal um sich selbst dreht, ist immer ein anderer Teil der Erde dem Mond zugewandt. So entstehen innerhalb von 24 Stunden zweimal Ebbe und zweimal Flut. Genauer gesagt, vergehen aufgrund der Geschwindigkeit der Mondumkreisung von einer Flut zur nächsten im Schnitt 12 Stunden und 25 Minuten. Das heißt bei zweimal Ebbe und zweimal Flut vergehen etwa 24 Stunden und 50 Minuten. Hochwasser bzw. Niedrigwasser treten so jeden Tag mit einer ungefähren Verspätung von 50 Minuten auf. Ebbe oder Flut verschieben sich deshalb zeitlich jeden Tag und es bedarf eines Tidenkalenders, um genau zu sagen, wann das Wasser am höchsten steht und der Kampf um die Sandburg wahrscheinlich schon längst vorbei ist.

Kleiner Tipp: Es gibt Tidenpläne, die über die genaue Zeit von Hoch- und Niedrigwasser informieren. Strandburgenbauer können so ganz genau planen, wann sie anfangen, ihre Festungen zu bauen – bringen wird es ihnen aber allerdings nicht viel, denn die Kraft der Flut wird letztendlich siegen.