Es ist eine Wasserrutsche. Nein, ein Bunkersystem. Eine Spionagestation? Manch einer mag sich die Frage schon einmal gestellt haben: Was genau verbirgt sich eigentlich hinter diesem Bau im Berliner Stadtteil Tiergarten, der daherkommt wie eine Mischung aus sowjetischem Futurismus und einem gigantischen Regenwurm. Die Antwort verblüfft: Bei dem Bau in der Müller-Breslau-Straße, genauer gesagt seiner exponierten rosa Röhre, handelt es sich um den größten Umlauftank der Welt.

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Foto: JanManu via Wikimedia Commons

Wie groß muss die Schiffsschraube sein?
Das Gebäude steht in Diensten der Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau und durch die Röhre fließt Wasser. Bis zu 3300 Tonnen. Auf 55 Metern Länge und einem Durchmesser von acht Metern wird hier das Fahrverhalten von Schiffen getestet. Wie groß muss die Schiffsschraube sein, um den Rumpf bestmöglich anzutreiben und wie entwickelt sich die Manövrierfähigkeit bei starkem Seegang? Fragen, die mithilfe eines aufwendigen mechanischem Prozess beantwortet werden können. Ganz ohne Zugang zum Meer.

Tsunamis in Tiergarten
Der Clou: Nicht das Boot bewegt sich, sondern das Wasser, welches das Boot umgibt. Tausende Liter schnellen an einer Seite herab, auf der anderen Seite werden sie wieder heraufgepumpt. Dabei wird das zu testende Schiff innerhalb des von der Röhre umgebenen Kastenbaus zu Wasser gelassen und realen Ozean-Szenarien ausgesetzt. Gezeiten, Strömungen, Stürme, sogar einen Tsunami können die Wissenschaftler per Knopfdruck auslösen. Innerhalb des rosa Wurms, vor der beschaulichen Kulisse der Hausboote am Tiergartenufer, kann es also durchaus zu Titanic-reifen Szenen kommen.

Vom Kaiser zum Wurm
Um die wissenschaftliche Dimension dieses Technik-Wunderwerks vollständig zu begreifen, bedarf es wohl mindestens eines Studiums der Nautik. Die Röhre, das klingt nach Innovation und Zukunft. Dabei wurde der Bau einer Schiffsbau-Versuchsanstalt bereits von Kaiser Wilhelm II. in Auftrag gegeben, wenige Jahre später wurden hier bis zu 150 Meter große Panzerkreuzer getestet. Damals existierte die rosa Röhre jedoch noch nicht, das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört. In den Fünfzigerjahren kam es zum Wiederaufbau – inklusive Regenwurm-Röhre und mit pazifistischem Grundethos: Für die Entwicklung von Kriegsschiffen soll die Versuchsanstalt nie wieder zur Verfügung stehen.Neugierig geworden? Zur langen Nacht der Wissenschaften, die üblicherweise im Juni stattfindet, öffnet die TU Berlin ihre Versuchsanstalt für Schiffs- und Ingenieursverrückte. Die erwartet dann neben umfassenden Informationen zur Versuchsanstalt ein Blick auf das nicht minder futuristische Innere des Gebäudes.