Sturm, Regen, Überflutung. Wer zurzeit die Nachrichten verfolgt, der mag sich erleichtert denken: „Ein Glück, dass so etwas hierzulande nicht möglich ist.“ Ein Trugschluss? Experten und Umweltschützer warnen auch in Deutschland vor verheerenden Überflutungen.

Anlässlich der dramatischen Bilder aus Houston und der großflächigen Überschwemmungen in Texas warnt Georg Rast, Referent für Hochwasser und Hydrologie beim WWF Deutschland: „Eine Situation wie in Houston kann es bei gravierenden Starkregenereignissen auch in Deutschland geben. Bei einem derartigen Wetterereignis würde beispielsweise das Oberrheingebiet weitgehend unter Wasser stehen. Hierzulande sind in wenigen Tagen noch deutlich höhere Regenmengen möglich, als jene aus diesem Sommer im Raum Berlin oder im Harz. Allein die volkswirtschaftlichen Folgekosten wären immens. Die Überflutungen in Texas verdeutlichen, wie wichtiges es ist, den Flüssen ihren natürlichen Strömungsraum zu lassen.“

Flussauen und ihre Wälder können große Wassermengen auffangen und dienen so dem natürlichen Hochwasserschutz. Foto: Bernd Eichhorn / WWF

Flussauen und ihre Wälder können große Wassermengen auffangen und dienen so dem natürlichen Hochwasserschutz. Foto: Bernd Eichhorn / WWF

Auch deutsche Großstädte sind laut dem Experten nicht angemessen vor Hochwasser geschützt. „Wir müssen uns der Grenzen eines ‚technischen Hochwasserschutzes‘ bewusst sein. Viele deutsche Großstädte, wie etwa Mannheim, Dresden oder Teile von Berlin, liegen in Hochwasser-Risikogebieten. Hinzu kommt kritische Infrastruktur wie Kläranlagen, Raffinerien oder Chemieparks. So wurde die Anlage des BASF in Ludwigshafen oder die Großraffinerie bei Karlsruhe beispielsweise in Auen gebaut.“ Um gravierende ökonomische wie ökologische Folgeschäden zu vermeiden, müsse man diese Infrastruktur besser absichern. Wo das nicht möglich ist, müsse notfalls auch zurückgebaut werden.

Rast sieht dabei auch die Politik in der Pflicht und fordert ein nachhaltiges Umdenken: Es könne nicht sein, dass man nach einem Hochwasser in ausgewiesenen Risikogebieten beschädigte oder zerstörte Gebäude und Infrastruktur einfach wieder aufbaut – nur um dann bei der nächsten Flut erneut vor derartigen Problemen zu stehen. Eine strategisch ausgerichtete Raumplanung müsse diesem Hochwasserrisiko deutlich höheren Stellenwert beimessen und auch politisch-rechtlich besser abgesichert werden. Houston zeige, dass es bei extremem, lang anhaltendem Starkregen nicht ausreicht, nur auf Rückhaltebecken zu setzen. „Wer in Deutschland das Risiko von immer neuen, sogenannten Jahrhunderthochwassern deutlich verringern will, muss den Flüssen ihren natürlichen Raum zurückgeben.“

Ein Instrument hierfür sind Deichrückverlegungen im großen Stil, wie es etwa im flutgeplagten Dessau erfolgreich erprobt wurde. Hier wurde seit 2009 ein sieben Kilometer langer neuer Deich gebaut und inzwischen fertiggestellt. Durch die Öffnung des alten Deiches wurde mit dem Lödderitzer Forst eine 600 Hektar große Auenwaldfläche wieder an die natürliche Überflutungsdynamik der Elbe angeschlossen. Positiver Nebeneffekt: Damit wird auch die einzigartige Tier- und Pflanzenwelt der Elbauen langfristig geschützt.