Es ist eines der größten Probleme in der Schifffahrt: Marine Organismen wie Seepocken, Algen oder Muscheln bewachsen in kürzester Zeit Schiffsrümpfe und greifen ihre Lackschicht an. Das sogenannte „Biofouling“ erhöht so das Gewicht des Schiffes und dessen Strömungswiderstand. Ein gestiegener Treibstoffverbrauch und höherer CO2-Austoß sind die Folge. Um diesen Bewuchs zu vermeiden, werden weltweit überwiegend Schutzanstriche verwendet, die umweltschädliche Stoffe beinhalten und abgeben. Forscher der Uni Kiel haben mit innovativer Technik dem Biofouling den Kampf angesagt.

Ein Forschungsteam der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und der Phi-Stone AG, eine Ausgründung der CAU mit Sitz in Kiel, hat in enger Zusammenarbeit eine umweltfreundliche Beschichtung entwickelt. Sie erschwert die Ansiedelung von marinen Organismen und ermöglicht es, Schiffe leichter zu reinigen. Der neuartige Ansatz wurde jetzt mit einem internationalen Preis für innovative Marinetechnologien ausgezeichnet und setzte sich dabei gegen Konkurrenten von drei Kontinenten durch. „Dieses Projekt aus der Nanotechnologie ist ein gutes Beispiel für Innovationstransfer aus Schleswig-Holstein, der Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in die industrielle Anwendung bringt. Als Universität wollen wir bestehende Probleme durch innovative Ideen lösen. Voraussetzung dafür ist der funktionierende Dialog zwischen Wissenschaft und Firmen“, betont Professorin Karin Schwarz, Vizepräsidentin für Technologietransfer der CAU.

Rund 40 Prozent höherer Treibstoffverbrauch durch Biofouling
„Wir gehen davon aus, dass Biofouling den Treibstoffverbrauch von Schiffen um bis zu 40 Prozent erhöht. Das kostet die Transportindustrie weltweit über 150 Milliarden US-Dollar pro Jahr und belastet unnötig die Umwelt“, ergänzt Ingo Paulowicz, Vorstand der CAU-Ausgründung Phi-Stone. Dazu kommt ein erheblicher Reinigungs- und Wartungsaufwand, um die Schiffsrümpfe von Seepocken und anderen anhaftenden Organismen zu befreien und wieder neu zu lackieren. Viele der bereits existierenden Schutzanstriche sind wegen ihrer massiven umweltschädigenden Wirkung bereits verboten. Dazu gehören zinnorganische Anstriche wie TBT (Tributylzinn). Mit einem Verbot kupferbasierter Verbindungen wird im nächsten Jahr gerechnet, was den Bedarf an umweltfreundlichen und langlebigen Schiffsbeschichtungen enorm erhöht.

Haltbarer und umweltfreundlicher
Die Beschichtung, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der CAU und der Firma Phi-Stone in enger Zusammenarbeit entwickelt haben, verbindet Umweltfreundlichkeit mit Haltbarkeit. Das Produkt kommt ohne Lösungsmittel aus und gibt keine umweltschädlichen Substanzen ins Meer ab – anders als weitverbreitete selbstpolierende Beschichtungen (sogenannte self-polishing coatings), die kupferhaltig sind. Diese werden nach und nach durch den Fahrtwiderstand abgetragen und setzen dabei kontinuierlich Giftstoffe frei. Die glatte Oberfläche der neuen Beschichtung aus Kiel erschwert es Organismen, sich an den Schiffsrümpfen anzuhaften und die Beschichtung anzugreifen. „So bleibt der biokorossionsbeständige Farbanstrich länger erhalten und Seepocken oder Muscheln können einfach und schnell abgebürstet werden“, erklärt Dr. Martina Baum, Technische Biologin aus der Arbeitsgruppe „Funktionale Nanomaterialien“ von Professor Rainer Adelung, in der die Idee bereits vor einigen Jahren entstanden ist. Gemeinsam mit ihrer damaligen Doktorandin, Materialwissenschaftlerin Iris Hölken, untersuchte Baum die bewuchsmindernden Eigenschaften eines Polymerkomposits, das auf Polythiourethan (PTU) und speziell geformten Keramikpartikeln basiert. Sie verbessern die mechanischen Eigenschaften der Beschichtung und die Haftung des Lacks an der Schiffsoberfläche. Zusammen mit der Phi-Stone AG entwickelten sie das Material und den Beschichtungsprozess weiter. „Der jährliche Verbrauch von sogenannten Anti-Fouling-Anstrichen beträgt weltweit mittlerweile 80.000 Tonnen. Das erzeugt Kosten von etwa 4 Milliarden Dollar pro Jahr. Vom Schutzeffekt auf die Meere ganz zu schweigen“, macht Phi-Stone-Vorstand Paulowicz die Dimensionen einer umweltfreundlichen Beschichtungsalternative deutlich.

„Toll, dass sich diese Idee im Austausch mit Firmen so weiterentwickelt hat und wir sie so aus dem Labor ans Schiff bringen konnten“, freut sich auch Professor Rainer Adelung, Leiter der Arbeitsgruppe an der CAU. „Das ist ein schöner Erfolg für uns als Universität, aber auch für das Land, wenn auf diese Weise Ideen aus Schleswig-Holstein auch auf internationaler Ebene überzeugen.“